Belastung, Beanspruchung und wichtige Trainingsprinzipien

Die Grundlage eines zielgerichteten und erfolgreichen Sportunterrichts bildet zunächst die begriffliche Abgrenzung von Belastung und Beanspruchung.

Belastung ist eine nominelle Größe, die immer von außen vorgegeben wird; z.B. 25 Liegestütze oder 6 Niederwürfe.

Beanspruchung ist die individuelle innere Realisierung dieser Belastung des einzelnen Sportlers.

Da aber jeder einzelne Judoka aufgrund unterschiedlicher körperlicher Voraussetzungen, Trainingszustand und Trainingsalters diese von außen vorgegebenen Belastungen auch unterschiedlich verarbeitet, scheint eine von außen an alle Mitglieder einer Trainingsgruppe gleich gestellte Aufgabe wohl nicht das geeignete Trainingmittel zu sein. Vielmehr muss durch äußere Differenzierung der Aufgabe die Belastung an die Sportler individuell angepasst werden, um eine gruppenhomogene Beanspruchung und damit Trainingswirksamkeit zu erzielen.

Die für uns wichtigsten neun Trainingsprinzipien unterteilen wir in drei Gruppen zu jeweils drei Prinzipien:

Zunächst Prinzipen die eine Anpassung auslösen, dann Prinzipien zur Sicherung von Anpassung und schließlich Trainingsprinzipien zur spezifischen Steuerung von Trainingsanpassungen.

1. Das Auslösen von Anpassung:

Das Prinzip des wirksamen Belastungsreizes soll das oben erwähnte Verhältnis zwischen Belastung und Beanspruchen nochmals verdeutlichen. Eine Belastung darf nicht zu hoch aber auch nicht zu niedrig sein, um optimal zu beanspruchen. So entsteht z.B. beim Muskelaufbautraining ein Belastungsspielraum von 60% – 80% der Maximalkraft, je nach Leistungs- und Entwicklungsstand des einzelnen Athleten. Darüber oder gar darunter liegende Belastungsreize würden ihr Ziel verfehlen.

Das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung soll sicherstellen, dass ein zunächst wirksamer Reiz nach Anpassung seine Wirksamkeit nicht verliert. Wenn ein optimal gesetzter Reiz zu häufig wiederholt wird und die entsprechende Anpassung bereits erfolgt ist, muss dieser Reiz gesteigert werden, um eine erneute Anpassung auszulösen. Diese Steigerung kann allmählich oder auch sprunghaft erfolgen. Eine allmähliche Steigerung in kleinen Schritten ist dann sinnvoll, solange noch Leistungssteigerungen erfolgen. Ein sprunghafter Anstieg wird dann nötig, wenn geringe Belastungssteigerungen keine Beanspruchungsfolgen mehr haben, beinhaltet allerdings die Gefahr der Überlastung und sollten möglichst bedacht eingesetzt werden.

Das Prinzip der Variation der Trainingsbelastung verfolgt das Ziel, durch Austauschen von Trainingsmitteln oder Übungsformen zusätzlich weitere Trainingsreize zu setzten. Auch dadurch kann eine Leistungsstagnation vermieden werden.

2. Das Sichern von Anpassung:

Das Prinzip zur optimalen Gestaltung von Belastung und Erholung verdeutlicht, das jedes Körpersystem genügend Pause braucht um erneut beansprucht zu werden. Die Pausen sind von beanspruchtem System zu System unterschiedlich. So halten wir, um beim oben genannten Beispiel zu bleiben, beim Muskelaufbautraining zwischen den Serien 90 Sekunden (Kreatinphosphatresynthese) und zwischen den Einheiten 48 Stunden Pause ein.

Das Prinzip der Wiederholung und Kontinuität bedeutet, dass eine bestimmte Wiederholungszahl über einen längeren Zeitraum nötig ist, um den Reiz wirksam werden zu lassen. So soll man z.B. das Herzkreislaufsystem zwischen 30 und 45 Minuten Dauerbelasten um Anpassungserscheinungen der Grundlagenausdauer hervorzurufen. Dieser Reiz muss mindestens zweimal pro Woche über sechs Wochen wiederholt werden um eine Anpassung zu sichern.

Ein weiteres Prinzip zur Sicherung der Anpassung ist das Prinzip der Periodisierung und Zyklisierung. Bestimmte Trainingszyklen werden in zeitlichen Abständen wiederholt. So führen unsere Athleten z.B. zwei komplette Kraftzyklen pro Trainingsjahr durch, welche sich in die zugeordneten Trainingsperioden einfügen (Muskelaufbautraining in der speziellen Vorbereitungsperiode).

3. Die spezifische Steuerung der Anpassung

Das Prinzip der Individualität und Altersgemäßheit greift wieder auf die oben genannten Beanspruchungsstrukturen zurück und soll die Differenzierung der Trainingsbelastung auf den einzelnen Sportler und dessen realen Fähigkeiten hervorheben. Es wird sowohl das kalendarische als auch das Trainingsalter berücksichtigt.

Das Prinzip der zunehmenden Spezialisierung soll frühzeitig auf der Basis einer umfangreichen Grundlage spezielle individuelle Neigungen und Fähigkeiten berücksichtigen. So entwickeln sich z.B. im Judo relativ früh einbeinige oder beidbeinige Kämpferprofile, die dann zielgerichtet gefördert werden.

Als letzte sei noch auf das Prinzip der regulierenden Wechselwirkung einzelner Trainingselemente hingewiesen, welches zeitlich unterschiedliche Anpassungserscheinungen und gegenseitige Beeinflussung verschiedener Teilsysteme berücksichtigt. Verschiedene konditionelle Elemente des Trainings können sich positiv aber auch negativ beeinflussen. Darauf soll in späteren Artikeln praktisch Bezug genommen werden.

Alle oben genannten Trainingsprinzipien stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern ergänzen und überschneiden sich gegenseitig. Wir werden in Zukunft, wenn wir uns mit einzelnen Trainingselementen beschäftigen, immer wieder auf diese Prinzipien zurückgreifen.

Es grüßt Euch

Ralf Lippmann
Ausbildungsleiter im Deutschen Judo Bund e.V.